TESSIN, DU BIST SO WUNDERBAR - 3. Juli 2020

Ascona! Schon der Name klingt für mich nach Unbeschwertheit und nach Ferienstimmung. Da die Coronakrise Auslandsreisen gerade nicht so einfach macht, beschloss ich kurzerhand, dieses Jahr eine Woche in der Schweiz zu verbringen und zwar in Ascona.

Ein ganz besonderer See
Etwas kannte ich das Tessin bereits aus meiner Kindheit, denn wir fuhren mit der Familie öfter über Ostern an den Lago Maggiore, meist nach Ronco sopra Ascona. Damals beeindruckten mich die vielen Palmen und die unzähligen steilen Verbindungstreppen sehr. Mit 16 Jahren war ich auf der Durchreise nochmals für ein paar Stunden in Ascona. Da faszinierten mich als modebewusstes Mädchen die unglaublich schicken Leute, die auf der Seepromenade auf und ab flanierten und die zahlreichen tollen Modeläden. In den 1980er Jahren war Ascona noch ein angesagter Ort bei den Reichen und Schönen. Vor ein paar Jahren führte mich eine Pressereise schliesslich nach Jahrzehnten wieder kurz in das 5500-Einwohner-Dorf, das sich im Vergleich zu früher sehr verändert hatte und ziemlich zugebaut worden war.
Nun schien mir der Moment gekommen, Ascona und Umgebung etwas besser kennenzulernen. Mein Fazit: Es ist nach wie vor ein lohnendes Reiseziel. Gründe dafür gibt es viele, zum Beispiel der See. Während der Ferien trank ich jeden Morgen Kaffee in einem der Restaurants auf der Promenade, sah lange aufs Wasser und war so entspannt wie selten. Manchmal habe ich mich auch nur auf eine Bank gesetzt und auf den Lago Maggiore geblickt. Für mich gibt es kein besseres Anti-Stress-Mittel. Besonders reizvoll ist die Abendstimmung, wenn das Wasser wie Samt wirkt und in den Ortschaften am See ringsherum die Lichter angehen. Dann sind alle Pizzerien und Restaurants auf der Promenade ausgebucht. Die Schicken und Schönen machen zwar kein Schaulaufen mehr (die sind längst woanders), aber es macht trotzdem Spass zu sehen, wer alles vorbei schlendert.

Auch wenn viele Bauunternehmer und Grundstücksmakler in der Vergangenheit in Ascona auf ihre Kosten gekommen sind – das Borgo, der alte Dorfkern mit seinen Gassen ist noch immer hübsch. Mir gefällt besonders die Zeile um die Kirche San Pietro e Paulo mit ihrem Campanile, der das Wahrzeichen von Ascona ist.


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Die Kirche San Pietro e Paolo im Borgo von Ascona

Hügel der Wahrheit
Lange ein verschlafenes Fischerdorf, wurde Ascona zu Beginn des 20. Jahrhunderts plötzlich ein Ort für Andersdenkende, die neue Gesellschaftsformen ausprobieren wollten als der belgische Industriellenerbe Henri Oedenkoven dort eine Art Kolonie gründete: Man tanzte nackt, ernährte sich vegetarisch und trug seltsame Kleidung. In der Folge wurde das günstige und mit mildem Klima gesegnete Ascona zum Anziehungsort für Künstlerinnen, Schriftsteller und Bohemiens aller Couleur. Hier bezirzte Franziska, Gräfin Reventlow, Schriftstellerin und it-Girl in der Zeit von 1895 bis 1910, unzählige Verehrer, intensivierte Mary Wigman ihre Tanzkünste, hier liessen sich Marianne von Werefkin und Alexej von Jawlensky nieder und später auch der Schriftsteller Erich Maria Remarque.
Noch heute ist der Monte Verità ein Ort mit grosser Anziehungskraft. Durch Zufall habe ich dort das kleine Teehaus  entdeckt, in dessen Garten hervorragender Tee liebevoll serviert wird. Nebenan liegt sogar eine winzige Teeplantage, eine der wenigen in Europa. Ein höchst sehenswertes Museum auf dem Gelände dokumentiert die bewegten Zeiten auf dem Hügel. Zu den Höhepunkten meiner Ferienwoche gehörte das Abendessen auf der grossen Terrasse des Restaurants auf dem Monte Verità. Hoch über Ascona haben die Gäste einen Logenblick auf den See und sind weit weg vom Trubel auf der Promenade. Nur das aufgeregte Gezwitscher von Vögeln ist zu hören. Das Essen ist besonders schön angerichtet, vorzüglich und die beiden Ober bemühen sich sehr um das Wohl der Gäste. Wer möchte, kann auf dem Hügel der Wahrheit auch im Hotel im Bauhausstil wohnen. Auf jeden Fall lohnen sich die vielen Stufen, die von Ascona heraufführen.


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Blick vom Monte Verità auf Ascona

Ausgangspunkt für Entdeckungen
Ein weiteres Plus von Ascona ist seine günstige Lage. Mit dem Bus gelangt man in wenigen Minuten in das angrenzende Locarno, das für sein Filmfestival bekannt ist. Ein Kaffee auf der Piazza Grande und ein Abstecher zur am Berg gelegenen Wallfahrtskirche Madonna del Sasso gehören zu einem Besuch dazu. Aber von Ascona aus kann man auch gleich loswandern, zum Beispiel über den Monte Verità durch Kastanienwälder und an Badeplätzen am Fluss Melezza vorbei nach Intragna. Das ist ein hübscher Ort im Centovalli. Wer gutes Essen schätzt, sollte im Ristorante Stazione einkehren: Das Reich von Agnese, die als eine der besten Köchinnen des Tessins gilt.

Eine Wanderung, die mir ebenfalls sehr gut gefallen hat, führt von Ponte Brolla, das man mit der Centovallibahn von Locarno aus erreicht, nach Maggia. Durch einen Wald und an einem Wasserfall vorbei führt der Weg nach Avegno, ein Bijou mit alten Steinhäusern und prächtigen Hortensien. Sehr guten Cappuccino gibt es im Ristorante Stazione und am Ortsausgang liegen einige Grotti, wo man eine Mittagsrast einlegen könnte. Wer weiter nach Aurigeno will, sollte schwindelfrei und trittsicher sein, denn eine Art Klettersteig führt über Felsplatten sehr steil nach oben. Die letzte Passage von Aurigeno nach Maggio, wo es hauptsächlich eine schön gelegene Kirche zu bewundern gibt, ist wieder einfacher.


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Rasa

Ein Bekannter aus der Tourismusbranche, der die Schweiz wie kaum ein anderer kennt, hatte mir noch das autofreie Mini-Dorf Rasa empfohlen, das von Verdasio (eine Station der Centovalli Bahn) aus nur mit einer kleinen Seilbahn erreichbar ist. Nachdem ich dort war, möchte ich Euch Rasa auch ans Herz legen. Es gibt zwar nur ein paar Steinhäuser, eine Kirche, ein Grotto und das Studio eines bekannten Keramikers, doch der Ort ist so hübsch, dass man Handy oder Kamera gar nicht mehr aus der Hand legen will. Von hier kann man zurückwandern nach Ronco oder Ascona. Mein Rat: Haltet Euch unbedingt an die Wegweiser und folgt auf keinen den Fall den Markierungen Richtung Brissago. Den Fehler hatte ich gemacht und fand mich bald Blut und Wasser schwitzend im Nirgendwo am Steilhang im Wald wieder. Ich hätte sehr leicht abstürzen können. Zum Glück traf ich nach Stunden einen Wanderer, mit dem ich wieder wohlbehalten zurück nach Rasa gelangte.
Vielleicht schreibt Ihr mir ja bald von Euren Erlebnissen in und um Ascona. Das würde mich sehr freuen.

 

Meine Empfehlungen:
Wohnen:
Romantik Hotel Castello Seeschloss Hübsches, einigermassen erschwingliches Haus direkt an der Seepromenade gelegen mit nettem Garten und Pool. Die Küche ist ausgezeichnet (hier habe ich mit am besten gegessen)und der Gastgarten hat Seeblick. Unbedingt reservieren.

Castello del Sole Beach Resort & Spa Luxus bedeutet auch ausreichend Platz und den bietet das aussergewöhnliche Hotel mit seinen 140 Hektaren. Küche, Einrichtung, Spa – alles ist vom Feinsten. Gemüse und Obst wird zu grossen Teilen selbst angebaut. Unten am See liegt das Reich von Samuele, der sich mit seinem Team von der Beachbar aufs wunderbarste um seine Gäste kümmert. Tipp: Mal mit einem Day Spa Pass (110 Fr.) das Hotel erleben.

Essen/Trinken:
Restaurant Monte Verità
 Gute Küche, wohltuende Ruhe und ein wunderbarer Blick von der Riesenterrasse auf den Lago Maggiore. Mein Geheimtipp
Ristorante Stazione, Intragna Hier kocht die berühmte Agnese
Da Enzo, Ponte Brolla *
Grotto America, Ponte Brolla
Ristorante Centovalli, Ponte Brolla
Osteria Boato, Brissago

*Die folgenden Restauranttipps hat mir Daniel Heiserer, Inhaber des Romantikhotels Castello Seeschloss und selbst gelernter Koch, verraten.

Gut zu wissen:
In vielen Hotels erhaltet ihr die Ticino-Card, mit der man im ganzen Kanton die meisten Verkehrsmittel gratis nutzen kann.