REISEN, UM DIE EIGENEN GRENZEN ZU ÜBERSCHREITEN - 14. Dezember 2020
Dieses Jahr war vermutlich für alle speziell. Persönlich kann ich nicht klagen, doch als Reisejournalistin stiess ich an meine Grenzen. Anstatt Jamaika, USA oder Bolivien hiessen meine Ziele Bregenzerwald, Hessen und Allgäu. Aber auch diese Reisen waren wunderbar und ich habe viel Neues kennengelernt.
Raus aus der Komfortzone
Lange hat mich das Fernweh nicht geplagt, aber nun macht es sich ab und zu bemerkbar und ich überlege wie sich 2021 wohl anlässt. Wird uns Covid-19 weiterhin niederhalten oder wird das tückische Virus dank Impfungen und anderer Massnahmen verschwinden? Auch wenn ich noch nicht weiss, wohin es mich im kommenden Jahr überall hin verschlagen wird, eines ist sicher: Ich will mich mal wieder aus der Komfortzone wagen, meine Grenzen austesten und mich selber weiter kennenlernen. Reisen eignen sich dafür besonders, denn im Alltag bewegen wir uns meist nur in den immer gleichen Bahnen.
Allein in der Wildnis ..
Ich möchte mit einem Beispiel Mut machen, das schon ein paar Jahre zurückliegt. Vom Appalachian Trail, dem insgesamt 2200 Meilen langen Fernwanderweg an der US-Ostküste, hatte ich einiges gehört, in der Schweizer Presse darüber aber nichts gelesen. Und da ich gern die erste bin, die eine spannende Geschichte erzählt, beschloss ich, eine Etappe des Trails zu gehen. Nach Recherchen fiel die Wahl auf den Teil, der durch Maryland führt. Er ist mit etwa fünf Tagen kurz, gut erreichbar mit öffentlichen Verkehrsmitteln und gilt als einfach. Ich war so Feuer und Flamme für die Idee, dass ich von meinem Chef das go dafür bekam. Der Plan war im Juni zu gehen, dann war es warm genug, um im Freien zu übernachten, aber noch nicht zu heiss. Ursprünglich wollte mich eine Freundin die knappe Woche durch die Wildnis begleiten, doch sie liess mich hängen. Die Vorstellung, nachts allein in der Wildnis übernachten zu müssen, versetzte mich in Panik. In meiner Vorstellung sah ich mich schon mit Bären, die es dort gibt, ringen, mich in den Wäldern verlaufen oder vor Gewalttätern flüchten. Es geschahen leider auch Morde auf dem Appalachian Trail, zuletzt in den 1990er Jahren. Diese Sorge trieb mich so um, dass der Chefredaktor den „Touring“ Fotografen Emanuel mitreisen liess, ein höchst sympathischer patenter Mann, mit dem man Pferde stehlen kann.
Keine grosse Sache
Die Vorbereitung war einfach. Bei einem Ferienaufenthalt auf Mykonos lerne ich einen Amerikaner kennen, der Teile des Trails bereits gegangen war. Er mailte mir netterweise seine Packliste. Meine Ausrüstung stockte ich von der Regenhose bis zum Trinkbecher mit integriertem Filter ziemlich auf. Ich wandere sehr gern, aber immer nur in der Schweiz und für einen Tag. Eine Woche vor Abflug probierte ich im Garten meiner Eltern den Biwaksack aus – aus Gewichtsgründen verzichteten Emanuel und ich auf die Mitnahme von Zelten. Und ich füllte den neuen grossen Rucksack mit Büchern, bis ich etwa zwölf Kilogramm auf dem Rücken trug. Damit spazierte ich eine Stunde im Wald umher und dachte, na, das ist doch machbar. Alles schien so leicht.
Gelernte Lektionen und Stolz
Auf dem Trail, wo mir bereits vom Gewicht nach zwei Stunden der Rücken weh tat, musste ich schmerzlich lernen, dass akribische Vorbereitung für so ein Vorhaben unumgänglich ist. Diese schliesst auch mehrstündige Trainingswanderungen mit entsprechend viel Gewicht vor der Abreise mit ein. Eine weitere Lektion war, dass man so viel planen kann wie man will, es kommt doch häufig anders. Wir gerieten gleich am ersten Tag in eine böse Hitzewelle, welche die zehn bis zwölf Stunden langen Fussmärsche über Hügelland sehr anstrengend machten. Zumindest sahen wir die Bären nur aus der Ferne. Ich war sehr froh, dass Emanuel mit dabei war, dennoch fand ich die Nächte draussen auf dem Trail unheimlich. Wir übernachteten zwar meistens in Schutzhütten, die aber an der Vorderseite offen waren. Schlechte Schläferin, die ich bin, hörte ich ständig seltsame Geräusche und tat kaum ein Auge zu. Als wir aber nach viereinhalb Tagen in Harpers Ferry, West Virginia ankamen, war ich schon ziemlich stolz, dass ich meine Angst zumindest etwas überwunden und die Strapazen ganz gut weg gesteckt hatte.
Es war eine positive Erfahrung über meine Grenzen hinaus zu gehen. Und ja, es wurde eine schöne Story. Wenn Ihr Sie lesen wollt, hier ist der Link:
https://files.touringtcs.ch/index.php/s/wNjdKTLyoqTY8r3
(bisschen kompliziert leider: Ihr müsst den Link in den Browser kopieren, auf speichern klicken, dann öffnet sich das PDF des Artikels)
Fotos: Emanuel Freudiger. zvg