MEINE LIEBLINGSINSEL IM WINTER - 31. Dezember 2020

Mein Herz schlug schon immer für Lindau. Von Ravensburg, wo ich aufwuchs, war es nicht weit in dieses Kleinod am östlichen Bodensee. Im Sommer allerdings meide ich die Altstadt mit den vielen prägnanten Giebeln auf der Insel, weil sie mir dann zu überlaufen ist. Aber ausserhalb der Saison und gerade im Winter kann ich Lindau sehr empfehlen. An der Hafenpromenade mit Blick auf den bayerischen Löwen und den Leuchtturm drängen sich keine Eis schleckenden Massen mehr und in den Lokalen hätte man in normalen Zeiten jetzt Chancen auf einen Platz. Doch da aufgrund der Pandemie im Moment alles geschlossen sind, sind die hübschen Gassen noch stiller als sonst im Januar. Besucher können in aller Ruhe flanieren und die Schönheit der Bauten aus dem 15. und 16. Jahrhundert bewundern. Ich empfehle einen Rundgang, der rechts hinter dem prächtigen Bahnhof, der 1913 bis 1921 im barockisierenden Heimatstil erbaut wurde, beginnt. Lindau war ein stets ein wichtiger Grenzbahnhof und lange Zeit Umschlagplatz für Güter.


Der Mangturm diente vor Jahrhunderten ebenfalls als Leuchtturm

Eine Insel erfindet sich neu
Auf der sogenannten hinteren Insel wird ab 20. Mai 2021 die bayerische Gartenschau stattfinden. Der Weg führt am See entlang, man passiert eine uralte Ulme und einen stattlichen ehemaligen Kasernenbau. An diesem Punkt Lindaus befindet sich gerade vieles im Wandel, bezahlbarer Wohnraum wird entstehen und auch ein Park für die ganze Stadt. Von den Treppen, die neuerdings zum See hinunter führen, bewundern Einheimische und Gäste im Sommer gern Sonnenuntergänge und ein paar Schritte weiter bietet sich von den Stufen bei der Brücke, die über die Bahngleise spannt, ein schöner Blick hinüber zum Hotel Bad Schachen und zur schlossartigen Villa Wacker. Vom eleganten, 2019 eröffneten Nobelpreisträger-Steg – seit 1951 wird in Lindau die Nobelpreisträgertagung ausgerichtet – können Stadtwanderer Schwäne und andere Wasservögel auf dem Kleinen See beobachten. Noch einen Schwenk am Milchpilz von 1952 vorbei – er ist einer von insgesamt noch acht Exemplaren dieser kultigen Kioske – und dann geht es durch eine Lücke in der Stadtmauer zurück in die Gassen. Nicht auslassen sollten Besucher die über 1000 Jahre alte schlichte Peterskirche am Schrannenplatz, die heute Gedenkstätte für Kriegsopfer und für mich ein wahrer Kraftort ist. Sehenswert sind die Fresken «Lindauer Passion», die möglicherweise vom Renaissance-Maler Hans Holbein dem Älteren stammen. Ich mag auch den Blick auf den nahen Diebsturm mit seinen vier zierlichen Erkern von 1370, der wie der Name vermuten lässt, lange als Gefängnis genutzt wurde.


Der Renaissance-Treppengiebel des Rathauses sucht seinesgleichen

Stadt der schönen Giebel und Türme
Danach wenden sich Lindau-Entdecker nach links Richtung Rathaus, vor dem in der Weihnachtszeit stets ein imposanter Christbaum steht. Aus dem 15. Jahrhundert stammend, erhielt das Rathaus im 16. Jahrhundert seinen berühmten Renaissance-Treppengiebel, während die umfangreichen Fassadenmalereien erst im 19. Jahrhundert entstanden. Bemerkenswert für so eine kleine Stadt: 1496 hielt der König und spätere Kaiser Maximilian I. im gotischen Ratssaal einen Reichstag ab. Der Spaziergang endet im Hafen, wo einem gleich der hohe quadratische Mangturm mit seinem bunt gedeckten Dach ins Auge sticht. Ab dem 13. Jahrhundert diente er als Leuchtturm bis 1856 die Hafenanlage mit dem Löwen und dem neuen Leuchtturm entstand. Das Wahrzeichen Lindaus ist ein wunderbares Fotomotiv, vor allem in der Abendstimmung. Ich geniesse diesen Blick und auch die Aussicht auf die verschneiten Berge im nahen Österreich und in der Schweiz meist eine Weile, bevor ich mich auf den Nachhauseweg mache, aber insgeheim hoffe, bald wiederkommen zu können.


Hinreissend: Der Hafen zur blauen Stunde

Fotos: Juliane Lutz