FRAU TATTIS FAIBLE FÜR INDIEN UND FAIRNESS - 1. Februar 2022

Manuela Tatti liebt schöne Kleidung. Da sie nicht fand, was ihr gefiel, begann sie vor 15 Jahren in Indien Mode nach ihren Vorstellungen zu produzieren. Zugleich wollte sie etwas bewirken. Unter dem Label „Tatti Collection“ verkauft die Tessinerin heute sehr erfolgreich Fair Fashion, die gute Laune macht.

In der letzten Zeit zog ein Laden in der Berner Kramgasse meine Aufmerksamkeit auf sich. Auch wenn ich es eilig hatte, blieb ich kurz stehen, um mir die bunten Jäckchen, Oberteile und Kimonos genauer anzusehen. Letzten Oktober betrat ich schliesslich auf der Suche nach einem Kleid das Geschäft. Ich wurde nicht nur fündig, sondern kam auch ins Gespräch mit der sympathischen Verkäuferin, die sich als Besitzerin von «Tatti» herausstellte. Die in Biasca aufgewachsene Unternehmerin lässt in Indien Kleidung für Frauen nach eigenen Entwürfen fair fertigen und betreibt mittlerweile vier Läden in der Schweiz. Den ersten eröffnete sie vor etwa zehn Jahren in Lugano. Der letzte erfreut seit März 2021 die Bernerinnen, bei denen die schönen Stoffe und eher auffälligen Farben sofort gut ankamen.

2022-Unternehmerin Manuela Tatti in ihrem Berner Laden -JL

 

Fair Fashion, schön und hochwertig

Manuela Tatti schien eher ein Zahlenmensch zu sein, arbeitete für Banken und Broker in Genf und Zürich. Doch da war immer dieses Faible für edle Stoffe, das ihr die Mutter, eine Schneiderin, weitergegeben hatte. Sie nähte ihrer Tochter auch die schönsten Sachen, die sonst niemand hatte. Vor etwa 25 Jahren, Manuela Tatti war verheiratet und Mutter zweier Kinder, fing die heute 56-Jährige an, erfolgreich Schals aus Kaschmir zu verkaufen. Ein guter Freund von dort hatte sie auf die Idee gebracht. «Aber mit Schals allein kann man keinen Laden aufmachen», sagt die Unternehmerin, die Kleider liebt. Doch sie fand nur wenig, was ihr gefiel. Irgendwann hatte sie keine Lust mehr, ab Stange Sachen zu kaufen, die alles andere als fair produziert worden waren. So kam sie auf die Idee, selbst Mode zu machen. Auch wollte sie etwas bewirken in dem Land, in dem ihre Sachen hergestellt werden sollten.

2022-Ajay Mitarbeiter von Manuela Tatti in Indien

Glücklicher Zufall in Jaipur

Vor 15 Jahren reiste sie nach Jaipur, die Stadt, die als Mekka der Stoffe in Indien gilt. «Es war wohl Schicksal, dass ich dort Ajay und seine Familie traf», sagt sie. Anfangs entwarfen sie gemeinsam Jacken. Nach und nach kamen die Oberteile, Kleider, Jäckchen und anderes dazu. Alle Teile, alle Details werden in Handarbeit hergestellt. «Ich finde, man merkt im Laden, dass die Kleidungsstücke nicht schnell und möglichst billig, sondern liebevoll von Hand gefertigt wurden. Sie strahlen eine positive Energie aus», sagt die Modeunternehmerin. Sie begann mit 5 Angestellten in Jaipur, mittlerweile sind es 15. «Alle sind sie ganz wunderbar und wollen nur das Beste für die Firma, entwickeln sich ständig weiter», rühmt sie ihre Mitarbeitenden. Sie bezahle sie weit über dem üblichen Niveau, sagt sie. Zu Beginn experimentierte sie auch mit Biobaumwolle. Doch weil sie nicht sicher sein konnte, dass das Gelieferte trotz Zertifikat auch wirklich nachhaltig angebaut worden war, kam sie davon wieder ab.

2022-Unternehmerin Manuela Tatti - Stoffe in ihrem Berner Laden -JL

Diese Stoffe gibt’s nur bei ihr

Anfangs kauften sie und Ajay bereits bedruckte Stoffe in Indien, liessen lediglich noch die Farben abändern. Mittlerweile lässt sich Manuela Tatti von schönen Teppichen oder Bildern inspirieren und die Stoffe werden exklusiv für ihr Fair Fashion Label «Tatti Collection» hergestellt. Wer bei ihr einkauft, läuft kaum Gefahr, den Kimono oder das Kleid an einer anderen Frau zu sehen, denn jedes Kleidungsstück wird nur vier Mal in einer Grösse hergestellt und an die Läden in Lugano, Zürich, Basel und Bern verteilt. Was weg ist, ist weg.

Faszination für die Menschen

In der Zeit vor der Pandemie flog sie zwei Mal pro Jahr nach Indien, um mit Ajay und seinem Team von morgens bis abends an den Kollektionen zu arbeiten. Zeit für Sightseeing blieb ihr kaum, obwohl die rosafarbene Stadt Jaipur sehr viel zu bieten hat. Was sie am Land am meisten fasziniere, seien die Menschen. «Ich verstehe mich mit den Verwandten von Ajay bestens. Wenn man sich mit den Grosseltern einer indischen Familie gut verstehe, werde man auch vom Rest akzeptiert, lautet ihre Erfahrung. Da sie nur für die Arbeit nach Jaipur komme, könne sie Frauen, die nach Indien reisen wollen, leider nicht viel raten, ausser «sich vorher über die Mentalität zu informieren, Respekt vor der anderen Kultur zu haben und den gesunden Menschenverstand walten lassen».

2022-Unternehmerin Manuela Tatti -Stoffe in Jaipur - MT

Brücke zwischen Indien und der Schweiz

In all den Jahren, in denen sie mit den Indern zusammenarbeite, hätten sie sich alle weiterentwickelt. Sie habe die Läden eröffnet, die Mitarbeitenden seien in ihrer Arbeit immer besser geworden. «Ein Geschäft in Indien aufzubauen, Fair Fashion herzustellen und zwischen den beiden Kulturen eine Brücke zu bauen, das ist für mich das Schönste», sagt sie. Und mich freut, dass ich inmitten der Berner Altstadt mein Fernweh mit hinreissenden Kleidungsstücken aus Indien ein wenig stillen kann.

tatticollection.com (Online Shop)

Läden: Schnabelgasse 6, Basel; Kramgasse 17 Bern; Via Cattedrale 14, Lugano; Fortunagasse 38 Zürich
Instagram @tatticollection

 

Fotos: Manuela Tatti, Anita, Juliane Lutz

Für diesen Beitrag wurde ich weder bezahlt, noch erhielt ich sonst etwas. Ich kam bei meinen Stadtspaziergängen an dem Laden vorbei, war begeistert und wollte meine Entdeckung mit meiner Leserschaft teilen.