EIN SCHLOSS ZUM VERLIEBEN - 22. September 2020

Die Schweiz ist reich an Bergen und Seen, aber dass es hier auch jede Menge wunderbarer Schlösser gibt, ist vielleicht weniger bekannt. Château Chillon bei Montreux, die Castelli di Bellinzona oder Schloss Tarasp im Bündnerland dürften manchen ein Begriff sein, aber es gibt viele weitere dieser Bijous wie es in der Schweiz so schön heisst. Eines davon ist Schloss Waldegg bei Solothurn. Die durch Salzhandel und Solddienstgeschäfte mit Frankreich vermögend und einflussreich gewordene Familie von Besenval liess es sich 1686 als Sommerresidenz mit Gartenanlagen und Orangerie errichten. Es zeugt vom starken französischen Einfluss der damaligen Zeit, denn von 1530 bis 1792 unterhielt Frankreich eine ständige Gesandtschaft in Solothurn. So wurde die kleine Stadt zu einem Zentrum der europäischen Diplomatie. Hier wurden aber nicht nur Söldner angeworben oder Bündnisse geschlossen, auch das Savoir-vivre wurde ausgiebig zelebriert. Seit 1991 ist die Waldegg ein Museum und Begegnungszentrum. Um Euch ein Bild dieses wunderbaren Landsitzes zu vermitteln, habe ich Museumsleiter Andreas Affolter ein paar Fragen gestellt, denn er kennt das Schloss wie kein zweiter.

 

Andreas, nenne mir doch mal ein paar Gründe, warum man die Waldegg unbedingt besuchen sollte?
Schloss Waldegg ist eines der schönsten Barockschlösser der Schweiz. Der Prachtbau aus dem späten 17. Jahrhundert beeindruckt durch seine repräsentative Fassade und verfügt über herrlich dekorierte Innenräume. Vieles ist noch im originalen Zustand erhalten und zeugt von der Prachtliebe der Familie Besenval. Dann sind da die Gärten, deren verschiedene Anlagen den besonderen Reiz der Waldegg ausmachen. Auf der repräsentativen Südseite des Gebäudes liegt das barocke Gartenparterre. Steinsäulen und Obelisken zeugen vom Machtanspruch des Erbauers; streng symmetrische und buchsgesäumte Gartenbeete vom Willen zur Beherrschung der Natur. Ein achteckiger Springbrunnen verschafft in der Sommerhitze willkommene Kühlung. Im Westen liegt das Orangerieparterre, in dem der Duft von blühenden Zitronen-, Orangen- und Granatapfelbäumen einen vom Süden träumen lassen. Nördlich davon befindet sich der traditionell angelegte Nutzgarten mit Blumen und Gemüse. Angepflanzt sind vorwiegend alte ProSpecie-Rara-Sorten, die schon vor rund 150 Jahren in der Gegend bekannt waren. Auch die Lage ist besonders. Schloss Waldegg liegt inmitten des idyllischen Erholungsgebiets der Barockstadt Solothurn. Ein Besuch lässt sich perfekt kombinieren mit einem Spaziergang durch die wildromantische Verenaschlucht mit der Einsiedelei oder einer Wanderung entlang des Megalithweges. Zudem lässt sich kein schönerer Weg zu einem Schloss vorstellen als der Spaziergang durch die mehr als 500 Meter lange, mit Sommerlinden bepflanzte Allee, die direkt auf die Waldegg zuführt. Die Dauerausstellung, die von Königen, Diplomaten, Söldnerführern und Patriziern handelt, lohnt ebenfalls einen Besuch. Und am schönsten Ort der Schlossanlage haben wir das Café eingerichtet. Von dort schweift der Blick über den herrlichen Barockgarten und bei klarer Sicht übers ganze Mittelland bis zu den Berner Alpen.

Worauf freust Du Dich jeden Tag aufs Neue, wenn Du unterwegs bist zu Deinem Arbeitsplatz im Schloss?
Bereits der letzte Teil meines Arbeitsweges ist grossartig: Von der Haltestelle Feldbrunnen spaziere ich jeden Tag die herrliche Lindenallee bis zum Schloss hinauf. Oben angekommen, freue ich mich immer wieder aufs Neue über die herrlichen Schlossgärten, die sich in jeder Saison ein bisschen anders präsentieren.

Hast Du einen Lieblingsplatz?
Ja, und zwar die grosse Galerie im ersten Stock. Von hier hat man einen fantastischen Blick über die ganze Schlossanlage und die weitere Umgebung. Man sieht den Barockgarten, das Orangerieparterre, den lindenbestandenen Schlosshof, die lange Allee gen Süden, die St. Ursenkathedrale in Solothurn und bei klarer Sicht das ganze Panorama der Berner Alpen mit Eiger, Mönch und Jungfrau. Hier wird man sich so richtig bewusst, dass sich Schlosserbauer Johann Viktor von Besenval den perfekten Ort für seine Sommerresidenz ausgesucht hat.

Gibt es eine Anekdote aus der Geschichte des Schlosses, die Dir besonders gut gefällt?
Es heisst, dass sich Johann Viktor von Besenval sich ein so prächtiges Sommerschloss erbauen liess, weil er hoffte, der Sonnenkönig Louis XIV werde ihn hier mal besuchen. Obwohl dieser bei Besenvals Tod tatsächlich öffentlich verlauten liess, er habe einen seiner besten Freunde verloren, war ein Besuch eines französischen Königs bei einem Solothurner Patrizier natürlich undenkbar. Aber die Vorstellung, die Waldegg sei für eine Visite des Sonnenkönigs errichtet worden, ist dennoch reizend.

Warum heiraten die Leute bei Euch so gerne?
Die Hochzeitspaare und ihre Gäste schätzen vor allem die gute Atmosphäre: gediegen, aber nicht steif, sondern herzlich und entspannt. Schloss Waldegg bietet zudem ein Rundumpaket: Man kann im Garten- oder Theatersaal standesamtlich heiraten, dann im Barockgarten oder im Orangerieparterre den Apéro geniessen und sich anschliessend für das Essen und für das Fest in die Scheune begeben. Nicht zuletzt bietet das Schloss mit seinem Barockgarten eine perfekte Kulisse für Hochzeitsfotos.

 

Andreas Affolter studierte Geschichte und Politikwissenschaft in Bern und Paris und promovierte 2015 zum Thema «Verhandeln mit Republiken. Die französisch-eidgenössischen Beziehungen im 18. Jahrhundert». Er arbeitete als wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Editionsprojekt Zurlaubiana, im Staatsarchiv Solothurn und war Projektleiter des nationalen Theaterprojekts «1918.CH- 100 Jahre Landesstreik». Seit 2016 ist er Leiter von Schloss Waldegg in Feldbrunnen-St. Niklaus.