DIE WELT IN DER KÜCHE - 31. Oktober 2021

Eigentlich wollte ich im Frühherbst noch einmal kurz ans Meer fahren. Als sich das zerschlug, hoffte ich auf ein Wochenende in Turin. Doch auch dieses Vorhaben kam aus verschiedenen Gründen nicht zustande. Kurz: Nix dolce far niente und Campari, ich kam von Bern nicht weg. Aber der Wunsch zur Abwechslung, einmal wieder eine andere (Ess-)Kultur, Lebensweise und Sprache zu erleben, blieb.
Da half nur eines: Mich in Reiseführer, Kochbücher und Bildbände zu vertiefen und zumindest gedanklich zu verreisen. Deshalb möchte ich Euch heute drei Bücher vorstellen, die mir bei einem Streifzug durch meine Lieblingsbuchhandlung aufgefallen sind. Da ich gute Küche und feine Getränke liebe, drehen sie sich alle um Essen und Trinken.

 «Von der Kunst, einen Pfirsich zu essen», Diana Henry, Ars Vivendi, 30 Euro, 45,90 Franken
Der ungewöhnliche Titel des Kochbuchs machte mich neugierig. Bereits nach ein paar Seiten war ich von den stimmungsvollen Aufnahmen, den hervorragenden Texten und den einladenden Rezepten hingerissen. Aufgeteilt in Menüs für Frühling/Sommer und Herbst/Winter hält die bekannte irische Food-Autorin ihre Erinnerungen an Aufenthalte in verschiedenen Ländern fest. Im Kapitel «Monsieur Matuchet spielt Klavier» beschreibt sie ein Abendessen in einem reizenden kleinen Hotel in Südwestfrankreich. «… der Sommer war noch nicht vorbei, in der Küche hatte man sich aber schon vollkommen auf den Herbst eingestellt …» Der gut aussehende Monsieur Matuchet ist der Besitzer des Hotels und zugleich Chef am Herd. Er verwöhnt Diana Henry und ihren damaligen Freund kulinarisch aufs Wunderbarste. Und sie lernt schnell, dass die Küche in diesem Teil Frankreichs nicht auf Stopfleber und Cassoulet reduziert werden sollte. Ausserdem schmecken die Gerichte von dort ihrer Meinung nach viel besser an «kühlen, nebligen Herbsttagen als mediterranes Gemüse». Mit ihren Rezepten für einen Apéritiv Agenais mit Dörrpflaumen, Prune und Rum, für die Zwiebel-Spinat-Tarte, die Wachteln mit Aillade (eine Walnusssosse mit Knoblauch) und den grünen Salat mit Haselnussdressing überzeugte sie mich sofort. Ganz zu schweigen vom köstlich aussehenden Feigenkuchen mit Honig. Nur schon sie zu lesen und die Fotos anzusehen, weckten in mir den Wunsch, auch einmal nach Saint-Circ-Lapopie zu fahren. Vielleicht existiert das Hotel ja noch und ähnlich begabte Nachkommen von Monsieur Matuchet stehen heute am Herd und spielen später am Klavier Jazz.

In „Tausend Chilischoten“ wiederum erinnert sich Diana Henry daran, wie sie einmal kurzentschlossen nach Mexiko reiste. Die Trennung von ihrem Freund lag gerade hinter ihr. Zwar verläuft der Flug durch ein Gewitter höchst unruhig, doch sie lässt  sich schnell von der Farbenpracht und der Vielfalt der Aromen trösten. Mexiko sei ein guter Ort, um Liebeskummer zu vergessen, lautet ihr Fazit. Bei Ceviche mit Avocado und Granatapfelkernen, Tinga Poblada, Arroz Verde und Mangobäckchen in Limetten-Ingwer-Sirup ging es mir in einer ähnlichen Lage vermutlich auch bald besser.

«Foodie Cities. Städtetrips für Hungrige.» Mairdumont, 12 Euro, 18,90 Franken
Die Panade scheint auf dem Foto perfekt zu sein. Genauso sollte ein Wiener Schnitzel aussehen. Um dem Namen auch wirklich gerecht zu werden, muss es aus Kalbfleisch, dünn geschnitten, geklopft und luftig paniert zu sein. Das lerne ich von dem Taschenbuch im Grossformat. Vielleicht sollten das einige professionelle Köche auch verinnerlichen. Wäre ich Veganerin, könnte ich in Wien meine Lust auf ein Schnitzel im Restaurant Loving Hut stillen. Und wenn ich lernen wollte, wie ich selbst das perfekte Schnitzel mache, gäbe es Kurse bei Meissl & Schadn. So viel und noch mehr wird über das berühmte Fleischgericht im Kapitel über die österreichische Hauptstadt erzählt. Aber natürlich steht mir dort auch der Sinn nach dem perfekten Kaffee. Wer einen bestellt, muss schon konkret werden und beispielsweise sagen «Einen kleinen Schwarzen oder eine Schale Gold». Gut, das wusste ich schon, nur die Schale Gold ist mir neu. Und Schoggifans, die das Unkonventionelle schätzen, etwa eine Füllung aus Hackschnitzel, werden bei der Schoko Company am Naschmarkt fündig. Da gibt es unter anderem die Marke Zotter, die auch für höchst unkonventionelle Geschmacksrichtungen bekannt ist. Mir gefällt die bunte Mischung aus kurzen Erklärstücken, Gastrotipps und Sightseeing-Empfehlungen in diesem Führer, der schnell über das Wesentliche informiert. Abgehandelt werden in Sachen Esskultur zwölf Städte von Berlin bis Wien. Hauptthema ist eine der jeweiligen Spezialitäten: In Dresden ist es beispielsweise die Eierschecke, in Brüssel sind es Pommes Frites und in New York Donuts.

«Die Cafés von Paris» von Murielle Rousseau, Insel Verlag, 14 Euro, 23,90 Franken
Mir gefällt schon das Vorwort von Audrey Hepburn: «Paris ist immer eine gute Idee». Umso mehr, wenn Murielle Rousseau dort an ihre Lieblingsplätze führt. Sie beschreibt bekannte Adressen wie das Les Deux Magots, das nach zwei chinesischen Händlerfiguren benannt wurde. Sie sind seit ewigen Zeiten Teil der Dekoration der berühmten Institution. Der Grund: Früher wurden dort Waren aus Kanton verkauft, später wurde das Les Deux Magots zum Lieblingslokal von Oscar Wilde, Simone de Beauvoir oder Pablo Picasso. Einen grossen Teil des Buches machen auch nicht so bekannte Cafés aus, wie das Moulin de la Vierge an der wenig bevölkerten Place des Petits Pères im  2. Arrondissement. Die in Paris lebende Autorin beschreibt derart lebendig, wie sie im Maison Péret im 14. Arrondissement mit Freunden Landbrot mit Käse aus der Auvergne geniesst oder bei im 4. Arrondissement bei etwas Lachs und Roséwein im Le Saint-Régis die Schönen und Reichen beobachtet, dass ich manchmal das Gefühl habe, mit am Tisch zu sitzen. Murielle Rousseau steckt mit ihrer Begeisterung für die besonderen Cafés in Paris an und ganz nebenbei erfahren Leserinnen und Leser einiges über die Weine Frankeichs. Wenn ich das nächste Mal in meine Lieblingsstadt fahre (hoffentlich bald), werde ich mit ihrem Führer in der Tasche von einem Café ins nächste gehen.

Fotos: Johanna E. Lutz; zvg Ars Vivendi, Insel Verlag