ALLEINREISENDE FRAUEN – TIPPS FÜR MUSLIMISCHE LÄNDER - 7. Mai 2020

Ich hoffe sehr, dass sich die Grenzen bald öffnen, dass Flugzeuge abheben und wir endlich wieder reisen können. Dann steht für mich unter anderem Iran auf dem Programm, ein Land, das ich schon seit längerem gern einmal besuchen möchte. Doch worauf soll man als alleinreisende Frau in einem muslimischen Land achten? Darüber habe ich mich mit Islam-Kennerin Susanne Thiel unterhalten. Die studierte Ethnologin ist in der internationalen Entwicklungszusammenarbeit tätig und lebte in asiatischen und afrikanischen Ländern. Über Ihre vielfältigen Erfahrungen hat die Rheinländerin das Buch „Kulturschock Islam“ geschrieben, das in der lesenswerten Reihe „Reise Know-How“ (Verlag Peter Rump) erschienen ist.

Frau Thiel, Sie sind Islamexpertin, aber gibt es auch Länder, die Sie selbst nicht besuchen würden?
Ich habe zwar 2019 noch in Afghanistan gearbeitet, aber privat würde ich aufgrund der unsicheren politischen Lage nicht dorthin reisen. Das gilt ebenso für Syrien, den Jemen, Mali und den Sudan. Dort herrscht Krieg. Ansonsten macht es für mich keinen Unterschied, ob ich in ein islamisches Land reise oder in ein Land, in dem andere Religionen vorherrschen.

Der Islam in Afrika, in Zentralasien oder Asien – je nach Land gibt es grosse Unterschiede in Sachen Stellung der Frau. Wo lässt es sich Ihren Erfahrungen nach am ehesten gut allein reisen?
Generell ist es kein Problem, ein islamisches Land zu besuchen. Man muss eher nach Region sowie Stadt und Land unterscheiden. In grösseren Städten müssen allein reisende Frauen nicht mit Schwierigkeiten rechnen. Problematischer könnte es auf dem Land werden, wo die Leute bisher nur wenig Kontakt zu Touristen und Frauen hatten, die solo unterwegs sind. Es gibt mit Ausnahme von Saudi-Arabien und dem Iran übrigens keine islamischen Länder, in denen es beispielsweise gesetzlich vorgeschrieben ist, sich zu verschleiern. In Islamabad etwa kennt man die westliche Bekleidung und die Frauen dort nehmen sich auch die Freiheit heraus, ohne Kopftuch unterwegs zu sein. Auf dem Land in Pakistan allerdings ist es manchmal angebracht, eines zu tragen oder zumindest dabei zu haben. Da herrscht an manchen Orten schon eine gewisse Erwartungshaltung.

Welche Verhaltenstipps geben Sie mit auf den Weg?
In islamischen Ländern dient Kleidung nicht nur dem Schutz vor Witterungseinflüssen, sondern ist auch Ausdruck von Frömmigkeit. Wer aufs Land reist, sollte keine kurzen Kleider tragen oder Dekolleté zeigen. Lange Ärmel sind in der Regel nicht erforderlich, lange Hosen und Röcke aber schon, da das nackte Bein als provozierend empfunden werden könnte. Und in den Badeferien in muslimischen Ländern bietet sich der Einteiler eher an als ein knapper Bikini.

Wie sollten Frauen auftreten?
Es ist wichtig, sich sehr bestimmt und selbstbewusst zu geben und dennoch den Respekt gegenüber der anderen Kultur zu zeigen. Frauen sollten sich durch provozierende Reaktionen oder Anstarren in Basaren nicht aus der Ruhe bringen lassen. Wird man angesprochen, einfach ruhig antworten. Man kann mit Händlern Gespräche führen und sich auch auf einen Tee einladen lassen, nur wenn es ins Vertrauliche abdriftet, sollte man als Frau sofort bestimmt reagieren. Das beste Verhalten scheint mir eine freundliche, respektvolle Distanz zu sein. Natürlich sollten Frauen nicht in Situationen geraten, wo sie mit einem fremden Mann alleine sind. Und es ist wohl selbstverständlich, dass Alleinreisende nicht sagen, wo sie übernachten und sie sollten auch kein Foto mit Fremden zusammen machen lassen. Für sie gilt aber auch, dass sie nicht nach Lust und Laune andere Menschen in diesen Ländern fotografieren können. Wer das machen möchte, muss die Person zuerst fragen. Es gibt ein Bilderverbot im Islam, an das sich konservative Menschen halten. Reisende sollten auch durch das eigene Verhalten ihren Respekt gegenüber der anderen Kultur zeigen. Andererseits soll man sich nicht zu viele Gedanken machen, denn es kommt selten zu Übergriffen.

Bleiben Alleinreisende besser abends im Hotelzimmer?
Im städtischen Raum spricht nichts dagegen. Auf dem Land gerade in Pakistan oder Iran gibt es häufig Restaurants und Teehäuser, die nur von Männern besucht werden. Wird man ständig angestarrt, macht das Essen keinen Spass. Ich würde an diesen Orten empfehlen, sich etwas zu kaufen und im Hotelzimmer zu essen. Im zentralasiatischen Raum, der stark von der Sowjetkultur geprägt wurde und in Südostasien, aber auch in Ländern, wo viel Tourismus herrscht, wie in Nordafrika oder in Ägypten können sich Frauen an den meisten Orten ungehindert bewegen. In der Türkei auf dem Land dagegen erregen ausländische Frauen, die allein unterwegs sind, noch immer viel Aufmerksamkeit. Am besten informiert man sich vor der Abreise gut über das jeweilige Land und die Kultur, denn meist passieren Fehler aus Unwissenheit.

Und welche Vorurteile sollten wir punkto Islam loswerden?
Wir sollten uns davor hüten zu verallgemeinern und von den islamischen Ländern zu sprechen. Die gibt es genauso wenig wie es den Westen. Es herrscht überall grosse Vielfalt, es gibt gewaltige Unterschiede zwischen Stadt und Land, zwischen gebildeter urbaner und eher einfacher ländlicher Bevölkerung. Auch ist es ein schreckliches Vorurteil zu glauben, dass islamische Männer stets übergriffig sind. Man wird den Muslimen nicht gerecht, wenn man den Islam als ein enges, beschränktes System sieht, das den Menschen kujoniert. Wer beispielsweise an Afghanistan denkt, hat meist die Taliban vor Augen und übersieht den grossen Rest der Menschen dort, deren Bedürfnisse sich nicht gross von den unsrigen unterscheiden.

Susanne Thiel stammt aus dem Rheinland und arbeitete nach einem Studium der Ethnologie in der internationalen Entwicklungszusammenarbeit. Sie war in Pakistan, Afghanistan sowie anderen asiatischen sowie in afrikanischen Ländern tätig. Susanne Thiel schrieb unter anderem für die deutsche Buchreihe „Reise Know-How“ (Verlag Peter Rump) „Kulturschock Islam“.


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Susanne Thiel/zvg