ÜBER 50 UND ALLEIN AN DER BAR - 13. September 2021

Beruflich unterwegs oder ein paar Tage allein in den Ferien und keine Lust mehr, den Abend auf dem Hotelzimmer zu verbringen? Dann gibt es nur eines – raus. Viele Leute – auch nicht wenige Männer – tun sich schon schwer damit, abends allein essen zu gehen. Welche Strategien hilfreich sein können, darüber habe ich in einem früheren Post geschrieben. Aber allein in eine Bar zu gehen, ist nochmals etwas anderes. Man ist an der Theke exponierter als an einem Tisch im Restaurant. Ausser einem Glas vor einem gibt es keine weiteren Requisiten, mit denen man spielen oder sich ablenken könnte. Ich wollte wissen, wie sich Frau zu solch einem Alleingang am besten wappnet und habe Mona El Mansouri gefragt. Die Münchnerin war die erste Werbefilm-Regisseurin Deutschlands und hilft unter anderem als Coach Frauen, das für den Erfolg nötige Selbstbewusstsein zu entwickeln.

Stimm Dich erst darauf ein
Allen Mut zusammennehmen und die Bar der Wahl ansteuern? Nein! Mona El Mansouri empfiehlt, sich erst einmal mental darauf einzustellen. Sich zu fragen «Warum will ich dorthin?» Um den Abend nicht vor dem Fernseher zu verbringen, sondern mit einem Dirty Martini in der Hand die Leute zu beobachten. Oder vielleicht um jemanden kennenzulernen? «Es ist wichtig, sich mit der Situation zu beschäftigen und sich zu überlegen, welches Lokal man besuchen möchte, wie man sich anziehen und im Idealfall wirken will», sagt sie. Ihr Tipp: «Ruhig gross denken und sich ein Rolemodel suchen, das so ist, wie Frau selbst gern wäre. Wie würde Kamala Harris eine Bar betreten? Oder Sophie Marceau? Vor den meist grossen Garderobenspiegeln in Hotelzimmern lässt sich der Auftritt gut proben. Auf jeden Fall gilt: Schultern zurück, Kopf hoch und Blick nach vorn.

Du bist die Regisseurin Deines Lebens
Mona El Mansouri rät aber auch, sich zu überlegen, was geschieht, wenn man doch auf dem Zimmer bleibt. Weniger Spass in den Ferien, die Gelegenheit zu einem interessanten Gespräch oder einer Bekanntschaft verpassen oder das Gefühl, sich mal wieder nicht getraut zu haben? «Wir alle haben die Wahl und treffen unsere eigenen Entscheidungen. Niemand anders ist dafür verantwortlich. Wir sind die Regisseure unseres eigenen Lebens» ermuntert sie. Es muss ja nicht gleich der Meilenstein sein, die schicke In-Adresse mit möglicherweise versnobtem Publikum. Wer nie abends allein ausgeht, könnte sich erst einmal an die Bar des Hotels setzen oder in das Pub um die Ecke gehen. Es gehe darum, den ersten Schritt zu tun. Wenn der erst einmal geschafft sei, stelle man fest, dass es gar nicht so schwierig ist und sei bereit, den nächsten Schritt zu tun, sagt die Expertin.

Mach den Anfang, sonst wartest Du lange
Als junge, einigermassen ansehnliche und kommunikative Frau war es beim Ausgehen einfach, ins Gespräch zu kommen. Viele waren interessiert, sprachen einen an oder suchten Blickkontakt. Anfang 50 sieht die Welt meist etwas anders aus. Was sollte Frau also jetzt tun, um sich allein auf ungewohntem Terrain wohlzufühlen und sich nicht vorzukommen wie ein Mauerblümchen, das übersehen wird? „Werden Sie selbst aktiv und suchen Sie gleich das Gespräch, auch wenn es Überwindung kostet“, schlägt El Mansouri vor. „Fragen Sie den Barkeeper, was er gerade mixt oder den Gast neben Ihnen, was er empfehlen würde.“ Ein paar Sätze mit jemandem zu wechseln, nimmt die anfängliche Befangenheit.

Bring den inneren Kritiker zum Verstummen
Das erste Gespräch ist gut verlaufen. Und dann? „Dann geht es darum, den inneren Kritiker in den Griff zu bekommen, der einem zuraunt, dass man doch besser auf dem Hotelzimmer geblieben wäre“, sagt Mona El Mansouri. Der einem zuflüstert, was denn wohl die anderen Gäste über die nicht mehr ganz junge Frau, die da allein an der Theke sitzt, denken. Die hat wohl keine Freunde oder will einen abschleppen oder so ähnlich. „Beobachten Sie ihre Gedanken und machen sie sich von den negativen Sätzen los“ rät El Mansouri. Wenn der innere Kritiker frage, was man eigentlich hier wolle, ihm folgendes antworten: Danke für Deinen Kommentar. Ich bleibe hier sitzen und amüsiere mich. Es sei wichtig, mit diesem inneren Kritiker umzugehen, der einen von den verschiedensten Dingen abhalten will, rät sie.

Ist Deine Mission erfüllt oder willst Du mehr?
Wenn es nur darum ging, sich hinaus zu trauen, um nicht allein einen Gin Tonic oder ein Glas Rotwein zu trinken und dabei die anderen Gäste zu beobachten, ist das Ziel bald erfüllt. Selbst ist die Frau, heisst es erneut für all diejenigen, die gerne die Chance nutzen und jemanden Neues kennenlernen möchten. Auch wenn es in Zeiten von Tinder und Bumble fast schon ungewohnt scheint, mit einem Mann, der sympathisch wirkt, so wie früher Blickkontakt aufbauen, macht das! So zeigt sich auf unverfängliche Weise, ob er darauf reagiert oder nicht.
Er schaut freundlich zurück, macht aber keine Anstalten, einen anzusprechen oder sich neben einen zu setzen? „Da kommt es darauf an, wie mutig man sein will und wie weit man zu gehen bereit ist“, sagt Mona El Mansouri. „Ich würde die Frau auf jeden Fall ermuntern, doch den Mann anzusprechen. Das spielerisch anzugehen und sich zu sagen, ich probiere das mal aus. Bereits das Verb ausprobieren, nimmt dem Ganzen ziemlich viel Dramatik.“
Und wenn der Angesprochene kein Interesse auf ein Gespräch hat, ist das auch nicht weiter schlimm. „Dann wünschen Sie ihm freundlich noch einen schönen Abend“, so El Mansouri. Ausserdem kennt einen niemand an dem fremden Ort. Aber sich getraut zu haben, den Mann anzusprechen, stärke das Selbstbewusstsein.

Reinhören lohnt sich: Neu ist von Mona El Mansouri das Hörbuch „Aufblühen statt verblühen. Neubeginn in der Lebensmitte. Für neugierige Frauen, die kein Alter kennen“ (Hörbuch Manufaktur Berlin) erschienen.
Die Tochter einer Deutschen und eines Ägypters bietet Laufbahn-, Karriere- und Teamcoaching sowie pferdegestütztes Coaching für Frauen (coachingfrauen.com) und für Männer (coachingmaenner.com) an.

Foto: Myriam Cibolini